Mühlbacherinnen

Das Sichtbarwerden von frauengeschichtlichen Landmarken. Eine reparative Intervention und ein Audiospaziergang  

 

Waschplätze. Es gibt so viele von ihnen. Und es gab noch mehr entlang verschiedener Flüsse, Kanäle und Bäche. Im Laufe der Geschichte und über Jahrhunderte hinweg dienten sie als Orte für meist unsichtbare Frauenarbeit. Einige von ihnen finden wir heute noch, wie die sechs Schwemmstellen, die das Kollektiv neonpink am Ufer des Mühlbachs wiederentdeckt und in künstlerischen Kontext gesetzt hat. Diese vergessenen Zugänge zum Bach, seien es die Treppen, die zum Wasser führen, die Betonplattformen oder die Holzstege, wurden zum Teil renoviert, gereinigt und wieder zugänglich gemacht. 

 

Parallel zu dieser restaurativen Geste komponierte das rein weiblich gelesene Kollektiv neonpink einen teils fiktionalen, teils dokumentarischen Audiowalk, der in einer Annäherung die Geschichte der Mühlbacherinnen erzählt. 

 

Der Audiowalk erweitert die Erinnerungskultur um die Perspektive der Frauengeschichte. Die „Mühlbacherinnen“ waren Frauen aus der Nachbarschaft, Tanten, Großmütter, Freundinnen und junge Mädchen. Bei jedem Wetter trugen sie die Wäsche zum Waschen an den Mühlbach und die nasse Last zurück zum Trocknen: die Bettwäsche der eigenen Familie oder des eigenen Haushalts, als Mägde oder Dienstmädchen aber auch die Wäsche bürgerlicher Haushalte. Es waren Frauen, die das Sinnbild einer Gesellschaft prägten, in welcher sie in schwerer körperlicher Arbeit, die seit den 1990er Jahren Care- oder Reproduktionsarbeit genannt wird, ungesehen Aufgaben erledigten, die geschichtliche und politische Entwicklungen ermöglicht haben. 

 

Durch die Erzählung der wissenschaftlichen, für St. Pölten kaum sozialgeschichtlich bearbeiteten weiblichen Stimme zeigt das Kollektiv ungleichwürdige Strukturen auf, lädt zu einem Verständnis und Empowerment ein, in welchem Ausmaß sie die Gesellschaft bis heute noch prägen. 

 

Der rote Faden der Erzählung verläuft entlang des Mühlbachs und mäandert zwischen historischen Einordnungen und Alltagsgeschichten von Zeitzeug:innen und einem Bezug zur Gegenwart. 

 

Ebenso kann die Metaphysik des Wassers, aus der Mensch und Erde zu einem großen Teil bestehen und durch das alles Lebendige lebt, einen wesentlichen Aspekt der eigenen Biografie erschließen. Diese Impulse sind als Einladung und freie Entscheidung gedacht. Das Kollektiv erkundet Fragen des „Waschens“ oder der „Reinheit“ und eröffnet damit den Diskurs über Feminismus, die Fluidität der Körper sowie andere Perspektiven auf Geschichte und das Selbst. 

 

An den unten aufgeführten Terminen besteht die Möglichkeit, den Live-Walk als Gruppe in Begleitung des Kollektivs entlang der teilweise renovierten Waschplätze zu erleben. 

 

Die Standorte sind barrierefrei und der Audiospaziergang ist über QR-Codes an den jeweiligen Standorten für die Dauer des Festivals abrufbar.

Kollektiv Neonpink © Markus Weidmann-Krieger

Das Kollektiv Neonpink traf sich in der jetzigen Besetzung zum ersten Mal im Sonnenpark 2023. Sechs Frauen, die in unterschiedlicher Beziehung zu St. Pölten stehen und, aus unterschiedlichen Lebenswelten kommen, fanden durch die Produktion „Mühlbacherinnen“, ein Audiowalk im Rahmen der Tangente, Festival für Gegenwartskultur, zusammen. 

 

Durch die Arbeit an der frauengeschichtlichen Perspektive der Wäscherinnen an den Schwemmstellen des Mühlbachs, forschten sie somit als Kollektiv auch nach ihrer eigenen Identität, wie derer ihrer Ahn*innen und erkennen Herausforderungen, Komplexität und Veränderungsbedarf an. 

 

Dabei stellt neonpink nicht den Anspruch auf absoluten Wahrheitsgehalt, sondern abstrahiert und mischt historische Ereignisse mit biografischen Erzählungen von Zeitzeug*innen. 

 

Viele der Narrative reproduzieren sich bis heute. 

 

Mit diesem Audiowalk hinterfragen sie daher die Gegebenheiten und zeigen Bisheriges auf. Er ist eine Annäherung und ein Angebot, durch die Geschichte eigene Schichten zu erkunden.