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Festivalzentrum Linzer Straße: Transformation in progress

Ein Lokalaugenschein von Althea Müller auf der Kunst- und Kultur-Baustelle kurz vor der Eröffnung am 30. April
von Althea Müller

Mein Weg zur aktuell sicher spannendsten Baustelle St. Pöltens führt mich die Linzer Straße entlang, an deren Rand gerade zwei Menschen mit Schutzbrillen an einem Werkstück arbeiten. Ein Stück weiter gestaltet ein Anrainer sein Schaufenster mit frischen Farben. Am Tor zum Löwinnenhof* umweht mich der englischsprachige Diskurs zweier junger Handwerker:innen. Und im Hof schließlich finde ich mich inmitten einer Truppe knallbunter Kunstwerke wieder: Ehemals St. Pöltner Verkehrsschilder, strecken sie mir nun freundlich ihre stählernen Arme entgegen. Ich fühle mich sehr willkommen.

„Die Schilder werden während der gesamten Festival-Laufzeit die Linzer Straße schmücken“, fängt mich an diesem Punkt eine strahlende Lena Weiderbauer auf. Die Koordinatorin des Festivalzentrums in progress zeigt mir heute das Baustellen-Areal der Tangente. Umgeben von Upcycling-Unikaten – vor kurzem noch etwa Tische und Garderobenbänke aus St. Pöltens Landesklinikum oder dem im Umbau befindlichen BASOP-„Übungskindergarten“ – umrahmt sie für mich die Vibes der sicher aufsehenerregendsten Baustelle der Stadt.

Die "Road Furniture" von Theresa Hattinger (Concept/Signs), Elisabeth Pérez (Street Art) und Davide Tagliabue (Structures) wurde innerhalb von kürzester Zeit zum vielfotografierten Aushängeschild des Festivalzentrums.

    Baustelle im Löwinnenhof*: Die Entstehung eines Festivalzentrums

    Hier also entsteht in kürzester Zeit das Festivalzentrum – mit Info-Point, Ticketbüro, viel Freiraum für lokale und internationale Kunstschaffende sowie Begegnungszonen für Austausch und Arbeit, Veranstaltungen und Kulturvermittlung. Sowohl im Löwinnenhof* als auch in einzelnen Geschäftslokalen entlang der Linzer Straße präsentieren sich über den Zeitraum des Festivals offene Ateliers und Werkstätten, Unterkünfte für Gäste sowie Besprechungs- und Präsentationsräumlichkeiten mit fixer und mobiler Bühne.

     

    Durch teils geschichtsträchtige Schaufenster geben die Räumlichkeiten die Sicht frei auf rudimentäre Arbeits- und Begegnungsräume. Der Charakter von Ziegelwänden und Glasfronten darf erhalten bleiben.

      Wo früher eine stadtbekannte Disco oder vor nicht ganz so langer Zeit ein kreatives Kinderspiel-Areal war, wird jetzt neu konzipiert und quergedacht, gehämmert, geschraubt und geschliffen. Jahrelang selbständig mit Vermittlungs- und Kulturprojekten in der Stadt, weiß Lena Weiderbauer um das Besondere gerade dieses Hofs und seiner Gegebenheiten. „Es bewegt sich was in der Linzer Straße“, freut sich die erfahrene Kultur- und Sozialanthropologin über das im wahrsten Sinne pochende Herz des Festivals, „es tut sich was in der Atmosphäre hier und setzt einen Transformationsprozess in Gang, den ich total positiv erlebe. Das macht etwas mit dem Hof, mit der Straße – und natürlich auch mit uns allen.“

      Baustellen-Upcycling auf internationalem Niveau

      „Kaum etwas wird neu angeschafft“, erzählt mir Lena nun mehr über das die Baustelle koordinierende Künstler:innen-Kollektiv der Biennale Urbana (kurz: BUrb) aus Venedig. Dieses arbeitet vorwiegend mit gebrauchten Materialien, die neu adaptiert werden, um ihnen frischen Sinn zu verleihen. So wenig als möglich wird zugekauft. Während der Arbeit wird auch direkt hier am Hof gelebt: Zum gemeinsamen Kochen und gemütlichen Essen mit der italienischen Crew war Lena selbst bereits an zwei Abenden eingeladen. „Biennale Urbana haben natürlich ihr eigenes Team mit“, erzählt sie weiter, „und zusätzlich werden auch regionale Handwerker:innen und Studierende einbezogen.“

      Biennale Urbana: Andrea Curtoni, Giulia Mazzorin, Andrea DeLorenzo © Peter Rauchecker

      Das italienische Kollektiv bringt für Projekte wie dieses zahlreiche internationale Erfahrungen mit. Seit 2022 leiten Andrea Curtoni, Andrea DeLorenzo und Guilia Mazzorin außerdem die Abteilung raum&designstrategien an der Kunstuni Linz. „Somit wurden natürlich Studierende von dort eingeladen, genauso aber von der TU Wien, in Kooperation mit dem dortigen Architektur-Studiengang. Und natürlich von der New Design University (ndu) hier in St. Pölten“, führt Lena weiter aus – und mich und meine Nichtschwindelfreiheit angstfrei die Tribünen hoch. Hier spähen wir in die oberen Arbeitsräume, die in wenigen Tagen als Unterkünfte oder Ateliers oder beides dienen werden.

        Lokale Gestalter:innen an Baustellen-Bord

        Federführend punkto Einbindung der renommierten ndu war übrigens Christian Herzog. „Ein bekanntes Gesicht beispielsweise aus KulturhauptSTART-Gefilden“, weiß Lena, „und dazu Meistertischler, ndu-Absolvent und mittlerweile selbst Lehrender im Studiengang ‚Design, Handwerk und materielle Kultur‘.“ Seit 2018 arbeitet und forscht er in seinem eigenen Atelier in Ober-Grafendorf und gestaltet Projekte von Ausstellungsarchitektur bis Produktdesign. An Bord der Tangente-Baustelle zählt Herzog genauso wie der in Melk ansässige Bildhauer Paul Stemberger zu den lokalen bzw. regionalen Handwerker:innen.

        Für die Erstellung der Tribünen im Innenhof zeichnet das Architekturkollektiv AKT mit Sitz in Wien verantwortlich. Die Philosophie hinter dem Projekt „Akt Transitions“: "Der horizontale Hof wird zu Sitzstufen gefaltet und geneigt: Eine schiefe Ebene, um in der Stadt aufzusteigen." Diesen „Aufstieg“ machen viele Menschen gerne – ob für einen Plausch, für eine kurze Rast in der Sonne oder um etwas zu trinken.

          Lokale Kooperationspartner:innen:

          • Verein KulturhauptSTART
          • KUNST:WERK
          • St. Pöltner Künstlerbund
          • NÖDOK – Dokumentationszentrum für moderne Kunst Niederösterreich
          • Mars&Blum
          • Masterstudiengang Soziale Arbeit (FH St. Pölten)
          • Frauenzentrum St. Pölten
          • Haus der Frau St. Pölten
          • Büro für Diversität
          • ST.PRIDE
          • Bühne im Hof
          • gabarage
          • Christian Herzog
          • sowie zahlreiche weitere lokale Vereine,
            Initiativen und Einzelpersonen

          Wieder auf festem Boden, blicken wir noch einmal durch die lässigen staubigen Glasfronten, hinter denen die historischen Räumlichkeiten der St. Pöltner Innenstadt als lebendige Werkstätten dienen. „Es ist auf einmal laut, wo es vorher vermehrt leise war, und eher staubig, wo es vorher sauber war“, fasst Lena ihre Sicht der Dinge prägnant zusammen. „Gegensätze sind präsent.“

          STARTraum: Lebendige Kooperation im Herzen des Hofs

          Präsent als Ort für offene Begegnung und kulturellen Austausch ist auch der STARTraum direkt im Löwinnenhof*. Bereits seit 2018 finden hier – in bester Nachbarschaft zu weiteren langjährigen Institutionen wie dem KUNST:WERK vom St. Pöltner Künstlerbund oder dem Frauenzentrum – Veranstaltungs- und Vermittlungsangebote echten Raum. Dahinter steht die Plattform KulturhauptSTART St. Pölten, gerade mit ihrem aktuellen Open Call und den Vorbereitungen für ihre erste STARTraumverwandlung ab 30. April beschäftigt. Trotzdem nehmen sich Stefanie Kuhn und Klaus-Michael Urban von KulturhauptSTART gern Zeit für ein Gespräch.

          Stefanie Kuhn und Klaus-Michael Urban © Jürgen Völkl

          In ihrer Rolle von sowohl Anrainer:innen als auch Kooperationspartner:innen nehmen sie die Geschehnisse der Baustelle tagtäglich live wahr. „Wir sind ja zurzeit vermehrt vor Ort“, erzählt Steffi, während Klaus auf die Eröffnung ihrer Ausstellung passend zum Start der Tangente am 30. April hinweist. Im sechsten Jahr der Bespielung des Raums im Löwinnenhof* wird nach wie vor ganz stark auf Öffnung und Beteiligung gesetzt. Das soll in den nächsten Monaten während der Kooperation mit Tangente noch weiter wachsen. „Noch bis 2. Juni geht unser Open Call, wo sich wirklich jede:r mit Ideen beteiligen kann – mehr dazu unter www.kulturhauptstart.at“, lädt Steffi dazu ein, zu agieren und mitzugestalten.

            Gemeinsam am Bau(en)

            Wie sie die Baustelle rund um den STARTraum wahrnimmt? „Es passiert wahnsinnig viel parallel“, holt sie aus, „und es ist supercool, wie lebendig der Hof nun in beiden Innenhöfen ist. Vor allem, sobald Musik durch unsere Soundinstallation im Eingang gespielt wird, zieht das auch häufig Passant:innen herein. Sie folgen der akustischen Einladung, schauen einfach kurz vorbei, sehen sich um und kommen mit den Menschen vor Ort ins Gespräch.“ Auch dass etwa bei einem Workshop von Biennale Urbana, der Kunstuni Linz, der TU Wien und ndu die Studierenden direkt auf sie zugekommen sind, um nach den Bedürfnissen des Löwinnenhof* aus ihrer Sicht zu fragen, ist ihr besonders positiv in Erinnerung geblieben.

            „Und natürlich“, weiß Klaus, „ist der Löwinnenhof* aufgrund der Tangente nicht nur vor Ort mehr belebt, sondern nun auch wieder vermehrt Thema zum Beispiel in den Sozialen Medien. Das bringt spannende gesellschaftliche Aspekte mit sich, die wir in den Diskussionen beobachten und verfolgen.“

            „Wir führen unser Engagement nach außen so stark fort wie bisher“, ist Steffi abschließend überzeugt, „und das wird auch während des Festivals und darüber hinaus so bleiben. Natürlich freuen wir uns auf unsere kommenden Veranstaltungen, eingebunden in die Tangente – und was sich daraus alles entwickeln kann und vor allem bleiben wird.“

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